25.01.2024: Die Nato wird um Schweden erweitert. Jetzt fehlt nur noch das grüne Licht aus Ungarn. Erdoğan geht als Sieger hervor und bombardiert weiterhin syrisches und irakisches Kurdistan
Nach anderthalb Jahren politischem Tauziehen hat das türkische Parlament der Aufnahme Schwedens in die Nato zugestimmt. 287 Parlamentarier stimmten am Dienstagabend in Ankara dafür, 55 dagegen, 4 Abgeordnete enthielten sich. Den schwedischen NATO-Beitritt hatte der der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten bereits am 26. Dezember befürwortet.
Zum Abschluss des Prozesses fehlt noch die Unterschrift von Präsident Erdoğan, die innerhalb der nächsten 15 Tagen erwartet wird.
Die letzte Hürde auf dem umstrittenen Weg, auf dem das skandinavische Land seine jahrhundertealte militärische Neutralität aufgibt, liegt nun in Budapest. Während die schwedische Regierung unter dem konservativen Ulf Kristersson gestern das Ja des türkischen Parlaments feierte, hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban zugesagt, die lange herausgezögerte Ratifizierung von Schwedens Nato-Beitritt voranzutreiben. Er werde das Parlament drängen, baldmöglichst darüber abzustimmen, erklärte Orban nach einem Gespräch mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf der Plattform X. Stoltenberg begrüßte Orbans Unterstützung. Wann eine Abstimmung darüber stattfinden könnte, sagte Orban nicht.
Wenn Erdoğan seine Unterschrift setzt und Orbán die Ankündigung einhält, wird die schwedische Flagge ein Jahr nach dem Beitritt des benachbarten Finnlands bald am NATO-Hauptquartier in Brüssel neben den anderen 31 Staaten flattern. Die beiden skandinavischen Länder hatten fast gleichzeitig im April 2022 ihre Absicht erklärt, dem von den USA geführten Militärbündnis beizutreten beizutreten. Sie begründeten diesen politischen Richtungswechsel von der Neutralität zur NATO-Mitgliedschaft mit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Damals wurden beide nordischen Staaten von sozialdemokratischen Ministerpräsidenten regiert, Schweden von Magdalena Andersson und Finnland von Sanna Marin. Inzwischen werden beide Länder von konservativen und ultra-rechten Kräften regiert.
Bis zum 24. Februar 2022 gab es in beiden Ländern jedes Mal, wenn das Thema zur Sprache kam, eine Mehrheit gegen den Beitritt, aber mit dem von Moskau entfesselten Krieg und der langen Grenze, die Finnland und Russland trennt, änderte sich die öffentliche Meinung innerhalb weniger Monate radikal, ebenso wie die große Mehrheit der politischen Kräfte.
In diesen zwei Jahren wechselten sowohl in Helsinki als auch in Stockholm die Mehrheiten und die Ministerpräsidenten, so dass die Konservativen im Bündnis mit der extremen Rechten an die Regierung kamen.
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In diesen beiden Jahren haben die beiden nordischen Länder Erdoğan praktisch alles zugestanden, was er forderte: von der Aufhebung des Waffenembargos bis hin zu Anträgen auf Auslieferung von Gegnern des türkischen Regimes, die in Finnland und vor allem in Schweden Zuflucht gesucht hatten. Bereits im August 2022, auf dem Höhepunkt des schwedischen Wahlkampfes, waren mehrere türkische und kurdische Regimegegner von fragwürdigen Verfahren betroffen. (siehe kommunisten.de: Schweden liefert aus. Finnland verbietet kurdische Fahnen)
Wenige Monate zuvor hatte das Stockholmer Parlament zudem ein neues Anti-Terror-Gesetz verabschiedet, das am 1. Juni letzten Jahres in Kraft trat und die Auslieferung aller Bürger an die Türkei ermöglicht, die als "Anhänger oder Unterstützer terroristischer Organisationen" gelten, wozu nach der Definition auch der kurdische Widerstand der PKK und die syrische YPG/YPJ gehören.
Während Schweden und Finnland ihr Bestes taten, um auf Erdoğans unnachgiebige Forderungen einzugehen, führte die Türkei parallel dazu Verhandlungen mit den USA, die im Dezember letzten Jahres mit grünem Licht für den Verkauf von US-Kampfflugzeugen des Typs F16 an Ankara im Gegenzug für die Zustimmung der Türkei zum NATO-Beitritt Schwedens endeten.
Ungehindert von den anderen NATO-Mitgliedern hat Erdoğan in den letzten Monaten seine terroristischen Bombenangriffe auf zivile Infrastruktur in Nord- und Ostsyrien intensiviert, die darauf abzielen, die dortige demokratische Selbstverwaltung zu zerstören und die kurdische Bevölkerung zu vertreiben.
Auch aus Berlin gab und gibt es keinen Protest gegen den völkerrechtswidrigen Krieg der Türkei, denn die deutschen Prioritäten sind anders. Der Beschluß des türkischen Parlaments wird begrüßt: "Das ist eine wichtige und richtige Entscheidung. Der anstehende Beitritt von Schweden wird, wie die bereits vollzogene Aufnahme Finnlands, das Nordatlantische Bündnis insgesamt weiter stärken."
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